Mit 2013 wurden die Voraussetzungen für die Ausstellung gesetzeskonformer elektronischer Rechnungen geändert. Aber darf man seither wirklich "einfach" PDFs als Rechnung versenden und muss der Empfänger das akzeptieren?

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Immer wieder werden Umweltargumente und Millioneneinsparungen ins Treffen geführt, wenn man über den Ersatz von Papierrechnungen durch elektronische Rechnungen, sogenannte eRechnungen diskutiert. Doch stimmen diese Argumente wirklich?

In einer äußerst interessanten Studie der Wirtschaftskammer Österreich über die "Nutzenpotenziale der E-Rechnung" wurde schon 2011 festgestellt, dass trotz der angeblich enormen Vorteile erst maximal 10% aller Rechnungen auf elektronischem Weg versendet werden.

Kein Vorsteuerabzug ohne Nachweis von Echtheit der Herkunft, Unversehrtheit und Lesbarkeit des Inhalts

Bis Ende 2012 war in Österreich eine gravierende gesetzliche Voraussetzung zu erfüllen, die sich als Hürde für den Durchbruch der eRechnung herausstellte: es mußte die "Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit und die Lesbarkeit des Inhalts" über eine "qualifizierte elektronische Signatur" sichergestellt werden.

Zudem gelten erweiterte Aufbewahrungspflichten (10 statt 7 Jahre wie bei Papierrechnungen) und ein (im Gesetz nicht näher definierter) "dokumentierter Prüfpfad" - und zwar sowohl beim Empfänger, als auch beim Versender.

Kann auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt werden, so entfällt die Vorsteuerabzugsberechtigung für den Rechnungsempfänger.

 

Weniger als 30% der österreichischen Unternehmen, welche bereits heute elektronische Rechnungen verschicken/empfangen, kennen diese gesetzlichen Anforderungen, so die WKÖ-Studie. Und: Selbst wenn einige E-Rechnungen digital signiert wären, dürfte die ebenfalls geforderte Signaturprüfung mit Archivierung des Prüfprotokolls wegen fehlender Kenntnisse kaum stattfinden.

87,5% der österreichischen Unternehmen beschäftigen 1-9 Mitarbeiter. Für die überwiegende Anzahl von Kleinstunternehmen und über 230.000 Ein-Personen-Unternehmen stellt die rechtskonforme E-Rechnung eine große Herausforderung dar. Die Mehrheit dieser Unternehmen verfügt i.d.R. nicht über die notwendigen Kenntnisse und moderne Informatikmittel, um elektronische Rechnungen als strukturierte Daten und per Knopfdruck zu exportieren/versenden bzw. zu empfangen/importieren. Von den dafür einzusetzenden zusätzlichen Kosten ganz zu schweigen.

Deshlab lehnen viele Empfänger diese Rechnungsform bis heute ab. Auch interact!multimedia gehört dazu.

Andere Länder, andere Sitten

Einige Länder, wie zB. Italien, gehen einen Mittelweg und beharren nicht beidseitig auf einer elektronischen Archivierung. Eine Seite kann durchaus das Rechnungsoriginal als E-Rechnung, die andere Seite als gedruckte Papierrechnung archivieren (asymmetrisches E-Invoicing). Ähnliche Modelle kennen auch einige Länder in Lateinamerika.

Um zu erkennen, dass es sich originär um eine E-Rechnung handelt, müssen in diesen Ländern jedoch Kennzeichen auf die Rechnung aufgedruckt werden, z.B. 2D-Barcode nach PDF 417-Standard, alphanumerischer Code etc. Auch diese Anforderungen stellen sich in der Praxis aber als sehr kompliziert heraus.

Ist eine ausgedruckte PDF-Rechnung besser für die Umwelt?

In mehreren Ländern (z.B. Estland) darf man die E-Rechnung auch einfach ausdrucken und nur die Papierrechnung archivieren. Zudem muss darauf nicht erkennbar sein, dass es sich originär um eine E-Rechnung handelt.

Auch wenn gesetzlich in den meisten Ländern nicht zulässig, so werden doch typischerweise 60-80% der PDF-Rechnungen ausgedruckt und diese Papierrechnungen als neue „Originale" archiviert. Kein Gesetz vermochte diese gelebte Praxis bis jetzt zu verhindern, speziell auch weil es für Revisoren nur aufwändig nachzuweisen ist.

Aus ökologischer Sicht ist das weit entfernt vom langfristigen Versprechen einer papierarmen Welt durch elektronische Rechnungen.

2013: Alles wird gut - oder doch nicht?

2013 änderte auch Österreich die in der Realität nur für Großunternehmen mit spezialisierten IT-Abteilungen erfüllbaren technischen Voraussetzungen. Um den Durchbruch der eRechnung zu beschleunigen, kann seither jeder Unternehmer selbst bestimmen, in welcher Weise er die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit und die Lesbarkeit des Inhalts gewährleistet, die elektronische Sigantur ist nicht mehr die einzige Möglichkeit.

Folgende Verfahren stehen ab 2013 zur Verfügung:

  • Anwendung eines innerbetrieblichen Steuerungsverfahrens, durch das ein verlässlicher Prüfpfad zwischen der Rechnung und der Leistung geschaffen wird;
  • Ausstellung der Rechnung über FinanzOnline oder das Unternehmensserviceportal;
  • Versehen der Rechnung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur;
  • Ausstellung der Rechnung im EDI-Verfahren

Seither wird oft behauptet, es sei nun gar keine besondere Voraussetzung für eRechnungen mehr gegeben und man könne "einfach Rechnungen als PDF versenden".

Der PDF-Versand per E-Mail ist zwar für viele die vermeintlich einfachste und günstigste Variante, hat aber auch verschiedene Nachteile:

  • Integration in eine ERP-Lösung für eine teil-automatisierte Rechnungsverarbeitung ist anspruchsvoller
  • Sicherheit
    - Absenderadressen können sehr einfach gefälscht werden und das Missbrauchsrisiko für falsche Rechnungen steigt
    - E-Mails können durch Unberechtigte relativ einfach angeschaut und allenfalls manipuliert werden
    - Ein gesicherter Empfang der Rechnungen ist nicht garantiert; eine Empfangsbestätigung kann nicht zwingend ausgelöst werden

Damit entfällt das PDF-Format und die Übermittlung per einfacher, nicht extra elektronisch signierter E-Mail also weiterhin. Genau so wird es aber in der Alltagspraxis am häufigsten gemacht.

Was ist "ein innerbetriebliches Steuerungsverfahren, durch das ein verlässlicher Prüfpfad zwischen der Rechnung und der Leistung geschaffen wird"?

Da auch interact!multimedia gerne noch weniger Papier verbrauchen würde und auch immer wieder von Lieferanten angefragt wird, ob wir E-Rechnungen akzeptieren, haben wir uns schon 2013, nach Bekanntwerden der Änderung, bei der Rechtsabteilung der WKO Salzburg erkundigt, was eigentlich unter einem "innerbetrieblichen Steuerungsverfahren, durch das ein verlässlicher Prüfpfad zwischen der Rechnung und der Leistung geschaffen wird" zu verstehen ist. Also: was genau müsen wir tun, damit wir bei elektronischen Rechnungen von Lieferanten weiterhin sicher vorsteuerabzugsberechtigt sind? Immerhin ist dies ja auch im Gesetz selbst nicht näher ausgeführt.

Die Überraschung: Man konnte es uns nicht erklären, sondern verwies auf die bereits bisher bestehenden drei anderen Methoden, die allesamt mit einem deutlichen Mehraufwand auf Seiten der Rechnungsaussteller und -empfänger verbunden bzw. von kleinen Unternehmen gar nicht lösbar sind.

Wie so oft bei "Verbesserungen" in Österreich bestehen diese in der Realität nur auf dem Papier.

Sind E-Rechnungen wirklich kostengünstiger?

Hier zitieren wir wieder aus der oben genannten Stuide der WKÖ:

"Wie hoch das Nutzenpotenzial für eine Organisation ausfällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eher minimal ist dieses, wenn die Rechnungen statt auf Papier mittels bildhaften PDF-Rechnungen ausgetauscht werden. Das maximale Potenzial ist bei größeren Organisationen mit bisher dezentraler Rechnungsverarbeitung, welche zentralisieren und E-Rechnungen mittels strukturierter Daten austauschen.(...)

Allgemein ist davon auszugehen, dass der Empfänger von PDF-Rechnungen höhere Kosten hat als bei Papierrechnungen. (...)

Das Berechnungsbeispiel zeigt für den optimalen Fall auf, dass die gesetzeskonforme Verarbeitung und Archivierung einer PDF-Rechnung 14 Euro beträgt, gegenüber 13 Euro für die Papierrechnung. Bei diesem negativen Businesscase ist es schon überraschend, dass Unternehmen bereit sind, PDF-Rechnungen zu empfangen.

Auch wenn ein Unternehmer den (auch heute nicht gesetzeskonformen) Weg geht, die erhaltene PDF-Rechnung ausdruckt und diese archiviert, hat er höhere Kosten. Die Druckkosten werden vom Versender zum Empfänger verlagert.

Empfänger mit einem höheren Volumen setzen teilweise Scanning-/OCR-Lösungen ein. (...) Das erlaubt meist auch eine Datenextraktion aus PDF-Rechnungen. Diese extrahierten Rechnungsdaten können in die Kreditorenbuchhaltung importiert werden und erlauben daher eine halbautomatisierte Rechnungsverarbeitung. (...) Allerdings lohnt sich dies erst ab einem bedeutenden Rechnungsvolumen und ist für Kleinbetriebe kaum wirtschaftlich anwendbar."

Und die Umwelt?

Eine belgische Studie kam zum Ergebnis, dass die Ersetzung der Papierrechnung einen Beitrag von 0,55-0,75% der Zielsetzung im Kyoto-Protokoll leisten dürfte. Na wenn das nicht überzeugt?!

Was bleibt von den Segnungen der E-Rechnung?

Letztlich bringen elektronische Rechnungen in der heute in Österreich gültigen Gesetzeslage nur den wenigen Großfirmen mit zig tausenden Rechnungen im Jahr wirklich Vorteile. Nur sie sind imstande, die in Österreich geforderten technischen und rechtlichen Voraussettzungen zu erfüllen.

Für den Großteil (fast 90%!) aller anderen Unternehmen entstehen jedenfalls in der derzeitigen Rechtslage zusätzliche Kosten.

Deshalb empfiehlt die WKÖ-Studie bereits 2011 zahlreiche weitere Erleichterungen (wie zB. Wegfall des ohnedies nicht näher definierten "Prüfpfades", Entfall der längeren Aufbewahrungspflicht u.v.m.) . Leider hat der Gesetzgeber darauf jedoch bislang nicht reagiert bzw. das Gegenteil der Empfehlungen der Studie beschlossen.

Aber selbst wenn die Empfehlungen der Studie zur Erleichterung der E-Rechnung allesamt umgesetzt würden, führte dies in der Praxis nur dazu, dass künftig elektronische Rechnungen auch ausgedruckt archiviert werden dürfen - was ja sogar teurer ist als die reine Papierlösung.

Vor allem aber ist dann auch der angebliche Umweltvorteil nicht mehr existent...

E-Rechnung und Vorsteuerabzug auf WKO.at
WKÖ-Studie "Nutzenpotentiale der E-Rechnung in Österreich"